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Wie du mit Operationsverstärker einen mobilen Roboter steuerst

Ein Operationsverstärker (OP) ist ein integrierter elektronischer Baustein zur Verstärkung von Spannungen, der eine Vielzahl an Transistoren beinhaltet. Im Grunde ist auch ein HiFi-Audio-Verstärker meist nichts anderes als ein speziell beschalteter OP. 

 

Der Name „Operations“-Verstärker stammt aus einer Zeit, als Rechen-„Operationen“ (Addieren, Multiplizieren, Integrieren, Logarithmieren, ...) noch mit analogen Schaltungen durchgeführt wurden und nicht mit digitalen Prozessoren. 

 

Der OP-Ausgang kann Spannungen abgeben, die zwischen der pos. Batteriespannung und der neg. Batteriespannung liegen. Der OP verstärkt die Spannung, die zwischen seinen beiden Eingängen liegt (= die Spannungsdifferenz Udiff zwischen Uin+ und Uin-). Diese verstärkte Spannung erscheint dann am Ausgang – man spricht von einem „Differenzverstärker“. Die Verstärkung bezeichnet man oft mit dem Formelzeichen „A“ (für Amplifikation). 

 

Unser erster Roboterbausatz (tinobo) wurde mit Operationsverstärkern gesteuert, die im Gegensatz zu Transistoren (varikabi) deutlich vielseitiger beschaltet werden konnten. Ein weiterer Vorteil war, dass bereits ein OP ausreicht, um einen Motor in beide Richtungen drehen zu lassen. Im Unterschied zu varikabi konnte tinobo also auch Rückwärts fahren oder am Stand drehen.

Zentrales Steuerorgan

Ergänzend zur kompakten Erklärung in der tibo-Anleitung könnt ihr in diesem Blogbeitrag mehr zur Funktion des Operationsverstärkers erfahren. Wer also genau wissen möchte, was der OP in der tibo-Steuerung bewirkt, kommt hier  auf seine Kosten. 

 

Die Funktionen von tibo beruhen sowohl beim Linienfolger wie auch beim Lichtfolger auf der Arbeit von zwei Operationsverstärkern (OPs), die in einem gemeinsamen schwarzen Kunststoffgehäuse (IC1) untergebracht und mit den Sensoren und Motoren variabel verbunden sind.

 

Wie arbeitet dieser Operationsverstärker?

Schauen wir uns dazu erst einmal die Anschlüsse an, über die er mit seiner Umgebung verbunden wird.

 

Im einfachsten Fall besitzt ein OP fünf Anschlüsse:

pos. Eingang Uin+ ("nicht invertierender Eingang")

neg. Eingang Uin- ("invertierender Eingang")

Ausgang Uout

pos. Versorgungsspannung U+

neg. Versorgungsspannung U-

 

tibos Doppel-OP-Baustein besitzt nicht 2 · 5 = 10 sondern nur acht Anschlüsse, weil die Betriebsspannungsanschlüsse für beide enthaltenen OPs gemeinsam verwendet werden:

OP1: pos. Eingang Uin+ ("nicht invertierender Eingang")

OP1: neg. Eingang Uin- ("invertierender Eingang")

OP1: Ausgang Uout

OP2: pos. Eingang Uin+ ("nicht invertierender Eingang")

OP2: neg. Eingang Uin- ("invertierender Eingang")

OP2: Ausgang Uout

gemeinsame pos. Versorgungsspannung U+

gemeinsame neg. Versorgungsspannung U-

Wichtig sind für uns nur die Eingänge und die Ausgänge. Die Betriebsspannungsanschlüsse sind lediglich mit den Batterien verbunden.       U+ = +3 V        U- = -3 V

 In vielen Schaltbildern werden diese Anschlüsse nicht einmal eingezeichnet. Für einen einzelnen OP bleiben somit für uns drei wichtige Anschlüsse:

der Ausgang, ein positiver Eingang und ein negativer Eingang

Der OP-Ausgang:

Die OP-Ausgänge können Spannungen abgeben, die zwischen der pos. Batteriespannung (+3 V) und der neg. Batteriespannung (-3 V) liegen.

An den Ausgängen sind direkt (oder über einen sehr kleinen Widerstand) die Motoren angeschlossen. Der eine OP-Ausgang ist für den rechten Motor zuständig ("MR"), der andere für den linken ("ML").

Ein OP-Ausgang kann also sowohl eine positive als auch eine negative Spannung an den Motor liefern. Entsprechend dreht sich dann der Motor in der einen oder in der anderen Richtung. Größere Spannung bewirkt eine höhere Motordrehzahl.

 

Ein Beispiel:

Bei +1 V am OP-Ausgang dreht der Motor langsam in der einen Richtung, bei +3 V schnell.

Bei -1 V dreht er langsam in der anderen Richtung, bei -3 V schnell.

 

Wenn die OP-Ausgangsspannung genau in der Mitte zwischen positiver und negativer Betriebsspannung liegt (man sagt: "der Ausgang liegt auf 0 V"), dann steht der Motor still, denn der andere Anschluss des Motors ist ebenfalls mit 0 V verbunden (Mittelpunkt des Batteriepacks).

 

Jetzt müssen wir "nur" noch herausfinden, woher der OP weiß, wie schnell der Motor laufen soll und ob vorwärts oder rückwärts. Welche Funktion haben dabei die Eingänge?

Die OP-Eingänge:

So ein Operationsverstärker hat eine ganz besonders wichtige Eigenschaft: Es handelt sich um seine VERSTÄRKUNG. 

Er verstärkt die Spannung, die zwischen seinen beiden Eingängen liegt (= die Spannungsdifferenz Udiff zwischen Uin+ und Uin-). 

Diese verstärkte Spannung erscheint dann am Ausgang – man spricht von einem "Differenzverstärker". Die Verstärkung bezeichnet man oft mit dem Formelzeichen "A" (für Amplifikation). Wenn man den OP ganz ohne äußere Beschaltung verwendet, dann verstärkt er ziemlich kräftig.

Man sagt: "Die Verstärkung A ist sehr hoch."                                                              Udiff = Uin+ - Uin-                 Uout = A · Udiff

Hierzu ein fiktives Beispiel:

Wir legen an den nicht invertierenden Eingang eine Spannung von 1 mV (das ist 1/1000 Volt), an den invertierenden Eingang -1 mV, macht zusammen eine Differenz Uin+ - Uin- = 2 mV.

Nimmt man nun an, dass der OP eine Verstärkung von 10.000 hat (was durchaus realistisch ist), dann würden am Ausgang 2 mV · 10.000 = 20.000 mV erscheinen: 20 V!

So viel Betriebsspannung haben wir gar nicht zur Verfügung. Der Ausgang des OP würde also bei +3 V anschlagen und dort hängen bleiben: Er wäre total "übersteuert".

Da wir von den Lichtsensoren Eingangsspannungen im Voltbereich (nicht mV-Bereich) erhalten, würde der Ausgang des OP ständig am positiven (+3 V) oder negativen (-3 V) Anschlag bleiben oder dazwischen hin und her sausen. Die Motoren würden ständig mit voller Geschwindigkeit vorwärts oder rückwärts laufen.

Der Roboter wäre vollkommen unkontrollierbar. Wir dürfen also mit unseren Eingangsspannungen nicht direkt auf die OP-Eingänge gehen. Wir müssen uns also etwas einfallen lassen, um den Roboter zu bändigen.

 

Dazu schauen wir uns die OP-Eingänge genauer an. Es gibt einen positiven Eingang und einen negativen:

Wenn wir die Spannung am positiven Eingang erhöhen (also mehr in Richtung der positiven Betriebsspannung schieben), dann geht die Spannung am OP-Ausgang (verstärkt) ebenfalls in positiver Richtung.

Achtung: Am negativen (invertierenden) Eingang verhält es sich genau umgekehrt: Höhere, also positivere Spannung am Eingang zieht den Ausgang in Richtung der negativen Betriebsspannung!

Die Lösung für unser OP-Bändiger-Problem:

Positivere Spannung am Eingang -> negativere Spannung am Ausgang! Wenn wir also einen Teil der Ausgangsspannung in den invertierenden Eingang zurückfüttern könnten (englisch: "feedback"), hätten wir zwar im Innern des OP immer noch die hohe Verstärkung, aber nach außen würde sich der OP sozusagen selbst bremsen. Das nennt man "Gegenkopplung".

Im Schaltbild sieht man das an dem Widerstand R2 der von Uout nach Uin- geht. Und damit der Bändiger-Effekt von R2 an Uin- durch die Eingangsspannung von den Sensoren nicht gleich wieder kaputtgemacht wird, muss das Sensorsignal auch über einen Widerstand (R1) abgeschwächt werden. Voilà, damit hätten wir schon einen funktionierenden Verstärker. 

Die Funktion der tibo-Schaltung 

Mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen können wir uns nun die Funktion der Lichtfolger-Schaltung wie sie in tibos Anleitung zu finden ist schon einigermaßen erklären:

Die obere Hälfte der Schaltung ist für den rechten Motor, die untere für den linken.

Nun betrachten wir aber erstmal die obere Hälfte der Schaltung (für den rechten Motor):

Das sieht noch immer recht kompliziert aus, oder? Deshalb lassen wir der Übersichtlichkeit halber jetzt mal die unwesentlichen Teile weg:

0 Ohm ist ein Stück Leitung

den Kondensators D8 in der Gegenkopplung

Uin+ = 0 Volt

Die Beschaltung der nicht invertierenden Eingänge (Widerstände A2, B2 und P1) vernachlässigen wir jetzt erst mal und nehmen an, dass an den beiden nicht invertierenden Eingängen der OPs eine konstante Spannung anliegt, sagen wir 0 Volt (das trifft tatsächlich zu, wenn das Poti P1 am Linksanschlag auf 0 Ohm steht).

Also: Uin+ = 0 Volt!

Das vereinfachte Schaltbild:

Der Sensor T5 ist zuständig für das Erkennen der Helligkeit auf der rechten Seite des Roboters.

 Wir können uns den Sensor vereinfacht als einen veränderlichen Widerstand vorstellen, dessen Widerstandswert bei zunehmender Helligkeit kleiner wird.

Je heller also die rechte Seite beleuchtet wird, desto geringer wird der Innenwiderstand von T5. Als Folge davon wandert die Spannung UinR (und damit Uin- am OP) weiter zum Pluspol. Und wie wir oben gesehen haben, bewirkt das am OP-Ausgang eine niedrigere Spannung: D.h. der rechte Motor wird bei Vorwärtslauf langsamer oder er geht sogar in den Rückwärtslauf über. Damit dreht sich der tibo nach rechts zur Helligkeit hin, und zwar so lange, bis der rechte Sensor T5 nicht mehr heller ist als der linke Sensor T1.

Gleiches Spiel läuft spiegelverkehrt auf der linken Seite ab (hier mit T1 und UinL).

Wer es ein bisschen genauer wissen will (und wem „Spannungsteiler“ vielleicht bereits ein Begriff ist), wird im nächsten Kapitel mehr erfahren.

Eine Eselsbrücke:

Man kann sagen, ein OP-Verstärker mit negativer Rückkopplung (Gegenkopplung) wird immer versuchen, am Ausgang genau das zu tun, was nötig ist, um Udiff (fast) auf 0 Volt zu halten.

Denn wenn er das nicht schafft:

Schon bei der kleinsten Differenzspannung zwischen den Eingängen liegt die 1000-fache oder 10000-fache Spannung am Ausgang, der dann am positiven oder negativen Anschlag „festhängt“, sprich auf Höhe der Batteriespannung.

Wenn wir also im Idealfall von einer näherungsweise unendlichen Verstärkung der Differenzspannung ausgehen (was - siehe oben - gar nicht so daneben liegt), dann können wir für unseren Verstärkeraufbau immer sagen:

Udiff = 0, was gleichbedeutend ist mit: Uin+ = Uin-

Das gilt natürlich nur, solange die Ausgangsspannung eben noch nicht „am Anschlag“ hängt (auf +3 V oder -3 V). 

Das OP-Kapitel für "angehende Elektroniker"

Ausgehend von unserer Eselsbrücke im letzten Kapitel können wir jetzt noch ein bisschen genauer in die OP-Schaltung einsteigen.

Hier nun die Schaltung mit eingezeichneten Spannungspfeilen: 

Wir bleiben zunächst noch bei unserer Annahme aus dem letzten Kapitel: Uin+ = 0 Volt.

Wegen "A ist riesig" können wir also sagen, dass auch Uin- = ca. 0 Volt ist (Eselsbrücke).

 

Der Vollständigkeit halber müssen wir an dieser Stelle noch eine Annahme machen, nämlich, dass an den Eingängen der OPs kein Strom fließt. Auch das ist in der Praxis sehr gut erfüllt. Wir machen damit also praktisch keinen Fehler.

Spannungsteiler

Wer jetzt genau beobachtet, sieht, dass R1 und R2 einen Spannungsteiler bilden, dessen Abgriff auf 0 Volt festgehalten wird! Wie verhalten sich die Spannungen an einem Spannungsteiler?

Genau: Sie verhalten sich wie die Widerstände.

 

UR2 / UR1 = R2 / R1  (ganz wichtige Formel)

 

Und - ob ihr's glaubt oder nicht: das ist schon fast die wichtigste Formel für die Berechnung unserer Schaltung.

Denn daraus folgt:

Wenn (z.B.) die Eingangsspannung positiver wird (mehr Licht ...), dann heißt das, dass UR1 steigt. Und da Uin- auf 0 V festgehalten wird (Eselsbrücke!), muss zwangsläufig UR2 auch größer werden - und zwar im Verhältnis von R2 und R1 (Spannungsteiler!):

 

UR2 = UR1 · R2 / R1

 

Jetzt haben wir die Schaltung im Griff, denn wenn du genau hinschaust, siehst du jetzt schon die Formel für die Verstärkung der gesamten Schaltung, also für das Verhältnis zwischen der Ausgangsspannung Uout und der Eingangsspannung Uin. Wegen Uin- = 0 V gilt:

 

Die Eingangsspannung der Schaltung ("Uin") ist identisch mit UR1

die Ausgangsspannung ("Uout") ist identisch mit "minus UR2"

 

Das bauen wir jetzt noch in unsere „ganz wichtige Formel“ von oben ein, dann haben wir:

Die Verstärkung V unserer gesamten invertierenden OP-Schaltung (nicht zu verwechseln mit der ungebändigten Verstärkung A des OP-Bauteils!) ist:

 

V = Uout / Uin = - UR2 / UR1 = - R2 / R1

 

Die Ein- und Ausgangsspannung dieser Schaltung verhalten sich also genau wie die Widerstände R1 und R2. Das Minuszeichen bedeutet einfach, dass der Ausgang Richtung plus geht, wenn der Eingang Richtung minus geht – und umgekehrt.

Die Darstellung im Diagramm

Für alle, die sich mit einem Bild mehr vorstellen können: Die Verschaltung des invertierenden Eingangs mit dem Ausgang macht diesen Teil der OP-Schaltung zu einer Art "Wippe" (mit variablen Hebelarmen).

Steigt Uin (also UR1), so will auch Uin- steigen. Damit geht Uout in negativer Richtung, und zwar so weit, dass an den Eingängen weiterhin (fast) 0 Volt anliegen. Wegen der quasi unendlichen Verstärkung wird Udiff höchstens um ein paar mVolt ansteigen. 

Die "Achse" der Wippe wird durch die Spannung an Uin+ bestimmt: Der OP wird alles tun (wegen seiner hohen Verstärkung), damit an Uin- die gleiche Spannung anliegt wie an Uin+, also 0 Volt.  Das Längenverhältnis der Wippenarme wird durch R2 / R1 bestimmt. Im Diagramm sieht man nun auch schön, was passiert wenn Uin+ von 0 V abweicht. Die  "Achse" der Wippe wird dann in ihrer Höhe verschoben. In der tibo-Schaltung wird der "Abstand" der linken und rechten Wippen-Achse durch das Poti P1 bzw. durch den Spannungsteiler A2, P1, A2 eingestellt. 


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Kommentare: 2
  • #1

    Peter Damen Poederoyen NL (Donnerstag, 24 Dezember 2015 13:14)

    Eine sehr gute Erklärung der Funktion des Operationsverstärkers.
    Herzlichten dank !

    Gruss,

    Peter Damen
    Poederoyen NL

  • #2

    Tino Werner (Donnerstag, 24 Dezember 2015 14:38)

    Besten Dank und schöne Weihnachten!